Vom Melsunger Nachtwächter der über Nacht zum Helden wurde

Dr. Hans Jürgen Groß
Zukunft gestalten: WEG- und Wandlungsbegleitung
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Vom Melsunger Nachtwächter der über Nacht zum Helden wurde

Dr. Gross INFO
In des Schicksals Spiel, wo Wachheit schläft,
blüht Glück aus Fehlern, unerwartet tief.

Weisheit der Nomaden in der Zeit





In der goldenen Jahreszeit, wenn die Felder zur Ruhe kommen, wird jede Hand zur Ernte gebraucht, auch jene, die noch in der Nacht wachen müssen. So auch in Melsungen, wo einst ein gewissenhafter Nachtwächter nach einem Tag voller Schweiß und Mühe auf dem Feld seinen Dienst um 10 Uhr abends leistete.

Mit sonorer Stimme verkündete er die zehnte Stunde und wachte über das Wohl der Stadt in allen Gassen und Winkeln. Als er jedoch seinen Rundgang beendet hatte, lockte ihn auf dem Marktplatz ein verführerischer Anblick: Eine herrschaftliche, leere Kutsche stand ohne Pferde verlassen da. Ihre weichen Polster wirkten wie eine Einladung zum kurzen Schlummer. „Nur eine kleine Rast“, dachte der Nachtwächter bei sich. „Um 11 Uhr bin ich wieder auf dem Posten.“

Gesagt, getan. Er kuschelte sich in die Kutsche und legte sein Horn neben sich. Die Nachtluft war mild und die Kissen so einladend, dass selbst die Ofenbank daheim im Vergleich verblasste. Doch des Nachtwächters Wachsamkeit sollte ihn diese Nacht trügen. Sein müdes Auge schloss sich, und er vernahm nicht das Geschehen um ihn herum.

Nach einer Weile spannte eine dunkle Gestalt die Pferde an und machte sich auf den Weg aus der Stadt heraus, entlang der Söhredörfer in Richtung Kassel. Das sanfte Schaukeln des Wagens wiegte den Nachtwächter in noch tiefere Träume; nichts störte seine Ruhe – bis sie um 3 Uhr morgens in dem Dorf Waldau eintrafen. Dort hielt der Kutscher vor einer Schenke, um die Pferde zu tränken.


Der abrupte Halt riss den Nachtwächter aus seinem Schlaf. In dem Glauben, es sei 11 Uhr, sprang er aus der Kutsche, ergriff sein Horn und rief mit kräftiger Stimme: „Hört ihr Leut´ und lasst euch sagen, die Glocke hat nun Elfe geschlagen. Bewahrt das Feuer und das Licht, damit der Stadt kein Schad´ geschieht. Und lobet Gott, den Herrn.“

Seine Worte hallten durch die Stille der Nacht, und die Bewohner von Waldau, erschrocken durch den unerwarteten Ruf, eilten an die Fenster. Vor allem der Waldauer Nachtwächter war fassungslos, hatte er doch gerade erst seine Morgenrunde beendet und den neuen Tag begrüßt.

Verdutzt und zornig eilte er herbei, um dem Fremden in seinem Revier jegliche Einmischung zu untersagen. Der Melsunger Nachtwächter hatte zwischenzeitlich gemerkt, dass er sich meilenweit von seiner Heimat entfernt befand, rang in Gedanken verzweifelt nach einer Ausrede für sein Missgeschick.

Der Kutscher, der bei Nacht und Nebel unterwegs gewesen war und es durch geschicktes Täuschen geschafft hatte, durch das Kasseler Tor aus der Stadt Melsungen zu gelangen, war in Wahrheit ein landesweit gesuchter Verbrecher. Durch den unzeitigen Weckruf des Nachtwächters wurde nun die Aufmerksamkeit auf diesen Schurken gelenkt, der sich in den Schatten der Nacht zu verbergen versuchte. Doch das Schicksal meinte es anders: Er wurde entdeckt und von den beiden Nachtwächtern festgenommen.

Der Melsunger Nachtwächter wurde zum ungewollten Helden der Stunde. Die Nachricht von seiner heldenhaften Tat verbreitete sich wie ein Lauffeuer im Land. Er wurde für seine Wachsamkeit und seinen Mut gerühmt, dem Verbrecher heimlich gefolgt zu sein, um diesen bei nächster Gelegenheit dingfest zu machen.

Diese Geschichte beweist einmal mehr, dass man die Folgen seiner Handlungen nie ganz vorhersehen kann. Manchmal sind es die unerwartetsten Ereignisse, die zu den glücklichsten Wendungen des Schicksals führen.

Und so ehre den Nachtwächter von Melsungen, der schlafend zum Helden wurde


Neu erdacht und erzählt nach dem Schwank, "Der Nachtwächter von Melsungen".

Text und Foto © 2024 - Hans Jürgen Groß







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