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Anspruch auf Erstattungszinsen bei Rückabwicklung von Bauträgerfällen

Das Finanzgericht hat mit Urteil vom 7. Dezember 2017 (1 K 1293/17) das Finanzamt (FA) verpflichtet, zu Gunsten eines Bauträgers Erstattungszinsen in Höhe von insgesamt 204.630 € festzusetzen, weil in den Streitjahren 2009 bis 2011 auf der Grundlage der damaligen Verwaltungsauffassung zu Unrecht Umsatzsteuer für die Eingangsleistungen des Bauträgers erhoben worden war. Gegen das Urteil ist Revision beim Bundesfinanzhof anhängig (XI R 4/18).

Die Klägerin ist als Bauträger tätig. Sie erwirbt Grundstücke, lässt diese von Bauunternehmern bebauen, teilt die Gebäude in Wohnungen auf und verkauft diese. Die Klägerin setzte in ihren ursprünglichen Umsatzsteuererklärungen 2009 bis 2011 nach § 13b Abs. 5 Satz 2, Abs. 2 Nr. 4 des Umsatzsteuergesetzes in der in den Streitjahren geltenden Fassung (UStG) die Umsatzsteuer für Bauleistungen von Bauunternehmern an (sog. Reverse Charge), die sie für ihre steuerfreien Grundstückslieferungen verwendete. Die Klägerin folgte dabei der damaligen Verwaltungsauffassung. Im Anschluss an das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 22. August 2013 V R 37/10 (BFHE 243, 20, BStBl II 2014, 128) berichtigte die Klägerin ihre Umsatzsteuererklärungen 2009 bis 2011 und forderte die zu Unrecht gezahlte Umsatzsteuer zurück. Das FA erließ entsprechend geänderte Umsatzsteuerbescheide und verrechnete die Umsatzsteuererstattung mit den an sie abgetretenen (zivilrechtlichen) Ansprüchen der Bauunternehmer gegen die Klägerin auf Nachzahlung der Umsatzsteuer. Das FA setzte in den Änderungsbescheiden keine Erstattungszinsen fest. Einen Antrag auf Festsetzung von Erstattungszinsen lehnte es ab. Die hiergegen erhobene Klage hatte Erfolg. 

Das FA sei verpflichtet, den Erstattungsanspruch der Klägerin nach § 233a Abs. 1 und 3 der Abgabenordnung (AO) zu verzinsen. Die Herabsetzung der festgesetzten Umsatzsteuern für die Jahre 2009 bis 2011 führe zu einem Unterschiedsbetrag zugunsten der Klägerin. Der Zinslauf beginne jeweils 15 Monate nach Ablauf eines jeden Streitjahrs (§ 233a Abs. 2 AO). Der Zinslauf beginne nicht aufgrund eines rückwirkenden Ereignisses erst zu einem späteren Zeitpunkt. Die Abtretung des (zivilrechtlichen) Anspruchs des leistenden Bauunternehmers auf Zahlung der gesetzlich entstandenen Umsatzsteuer an die Finanzbehörde sei kein rückwirkendes Ereignis im Hinblick auf den Umsatzsteuererstattungsanspruch der Klägerin. Die Steuerfestsetzung bei ihr sei von Anfang an rechtswidrig gewesen, weil zu keiner Zeit die Voraussetzungen für die Verlagerung der Steuerschuldnerschaft vorlagen. Die Abtretung des (zivilrechtlichen) Umsatzsteueranspruchs des leistenden Bauunternehmers an die Finanzbehörde stelle auch keine aufschiebende Bedingung für die Entstehung des (zu verzinsenden) Umsatzsteuererstattungsanspruchs der Klägerin dar. Das FA habe keinen Verwaltungsakt erlassen, in dem es eine solche aufschiebende Bedingung ausgesprochen habe (§ 120 Abs. 2 Nr. 2 AO). Der (zu verzinsende) Anspruch der Klägerin auf Erstattung der zu viel gezahlten Umsatzsteuer entstehe vielmehr - unbedingt - kraft Gesetzes ohne weitere Voraussetzungen bzw. Handlungen der Beteiligten. Die Klägerin müsse ihrem Zinsanspruch auch nicht den Grundsatz von Treu und Glauben entgegenhalten lassen. In dem Antrag auf Herabsetzung der festgesetzten Umsatzsteuer um die zu Unrecht festgesetzte Steuer könne kein treuwidriges Verhalten der Klägerin gegenüber dem FA erblickt werden. Die Klägerin habe - wie die gesamte Baubranche - auf der Grundlage der damaligen Verwaltungsauffassung irrig angenommen, Steuerschuldnerin zu sein. Diese Annahme habe sich als unrichtig erwiesen. Der Antrag auf Herstellung eines rechtmäßigen Zustands könne der Klägerin nicht vorgeworfen werden. Im Übrigen habe die Klägerin die vom FA erbetenen Auskünfte zu den leistenden Bauunternehmern erteilt, damit diese ihre (zivilrechtlichen) Ansprüchen auf Nachzahlung der Umsatzsteuer an das FA abtreten.

PM FG Baden-Württemberg v. 03.05.2018