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Amtshaftung: Finanzamt muss Gebühren des Steuerberaters für das Einspruchsverfahren erstatten

Im Falle einer Amtspflichtverletzung, z. B. durch die Feststellung unzutreffender Besteuerungsgrundlagen im Veranlagungsverfahren durch den Finanzbeamten, kann der Steuerpflichtige die Kosten, die ihm durch die Beauftragung eines Steuerberaters im Rahmen des außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahrens entstehen, unter bestimmten Voraussetzungen als Schaden gegenüber der Gebietskörperschaft, in deren Dienst der handelnde Beamte steht, geltend machen. 

Über einen solchen Schadenersatzanspruch hat kürzlich das Landgericht Essen mit Urteil vom 24.04.2014 (4 O 20/14) entschieden. Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die Sachbearbeiterin des zuständigen Finanzamts hatte von der Steuerpflichtigen, die mit Mobiltelefonen handelt, eine Liste angefordert, aus der sich ergeben sollte, ob für die Jahre 2007 – 2010 Vorsteuern aus Rechnungen namentlich genannter Firmen erklärt worden waren. Hintergrund dieser Aufforderung war ein Steuerfahndungsbericht der Steuerfahndung Düsseldorf, wonach der Vorsteuerabzug aus Rechnungen dieser Firmen zu versagen sei. Der Steuerberater der Steuerpflichtigen übersandte daraufhin Ausdrucke über die Umsätze der Klägerin mit den aufgeführten Firmen in Gestalt von Kontenausdrucken.

Finanzamt erlässt falsche Steuerbescheide… Mit vier Bescheiden vom 06.07.2012 setzte das Finanzamt daraufhin gegen die Steuerpflichtige nachträglich Umsatzsteuern und Hinterziehungszinsen i. H. v. insgesamt 1.465.929,35 € für die Kalenderjahre 2007 – 2010 neu fest. Die angeführte Höhe der Umsatzsteuern von 1.332.006,35 € entsprach rechnerisch der Summe der in den Habenkonten aufgelisteten Einzelsummen der Debitoren- und Kreditorenkonten der Buchhaltung der Steuerpflichtigen, die dem Finanzamt mit dem o. g. Schreiben des Steuerberaters mitgeteilt worden waren. Das Finanzamt setzte eine Zahlungsfrist von einem Monat und drohte Säumniszuschläge und Vollstreckungsmaßnahmen an. … die nach Einspruchseinlegung aufgehoben werden Gegen diese Bescheide legte der Steuerberater mit (einem einzigen) Schreiben vom 12.07.2012 jeweils Einspruch ein und beantragte Aussetzung der Vollziehung. Rein rechnerisch ergebe sich für die Jahre 2007 – 2010 nur ein Vorsteuerbetrag von 29.024,89 €. Auf schriftliche Nachfrage des Finanzamts stellte er klar, dass hinsichtlich der aufgeführten Firmen gar keine Vorsteuer von der Steuerpflichtigen geltend gemacht worden sei. 
Schlussendlich stellte das Finanzamt fest, dass keine Umsatzsteuernachforderungen aus den Jahren 2007 – 2010 bestehen. Dem Einspruch wurde daher voll entsprochen. 

Die Steuerpflichtige reichte die Honorarrechnung ihres Steuerberaters mit der Bitte um Erstattung bei dem Finanzamt ein. In der Honorarrechnung wurden vier Einspruchsgebühren nach § 40 Abs. 2 StBGebV unter Berücksichtigung der für jedes Kalenderjahr nachträglich geltend gemachten Umsatzsteuer (Gegenstandswert) berechnet. Dabei wurde jeweils eine Gebühr von 10/10 zugrunde gelegt. Der Nettobetrag der Rechnung belief sich auf 9.218,00 €, der Bruttobetrag auf 10.969,42 €. 

Nachdem das Finanzamt den Antrag auf Kostenersatz zurückgewiesen hatte, erhob die Steuerpflichtige Klage und beantragt, das beklagte Land zur Zahlung von 9.218,00 € nebst Zinsen i. H. v. 5 % über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu verurteilen. 

Nach Auffassung des LG Essen war die Klage dem Grunde nach begründet. Allerdings wurde das beklagte Land lediglich zur Zahlung von 2.363,00 € nebst Zinsen i. H. v. 5 % über dem jeweiligen Basiszinssatz verurteilt. 

Fahrlässige Amtspflichtverletzung Das Gericht stellte zunächst fest, dass den Steuernachforderungsbescheiden des Finanzamtes vom 06.07.2012 eine Amtspflichtverletzung zugrunde lag. Der handelnde Finanzbeamte habe bei Erlass der Bescheide gegen die Amtspflicht zu sorgfältigem und rechtmäßigem Handeln der Verwaltung (Art. 20 Abs. 3 GG) verstoßen. Es obliege den Finanzbeamten, gegenüber dem Steuerschuldner die Pflicht, die Veranlagung, Erhebung und Beitreibung unter den gesetzlichen Voraussetzungen und im Rahmen des gesetzlich Zulässigen vorzunehmen. Hier hätten die Bescheide auf einer fahrlässigen Fehlinterpretation der durch den Steuerberater eingereichten Unterlagen beruht. Einem fachlich geschulten Finanzbeamten hätte auffallen müssen, dass es sich lediglich um Kopien von Kontenblättern handelte und nicht um die angeforderte Auflistung der Vorsteuerabzüge. 

Kein Verstoß gegen die Schadenminderungspflicht. Das Gericht prüfte sodann, ob die Steuerpflichtige möglicherweise gegen ihre Schadenminderungspflicht verstoßen hat, weil sie einen Steuerberater mit der Wahrnehmung ihrer Interessen beauftragt hatte, obwohl ihr hätte klar sein müssen, dass die Nachforderung in dieser Höhe auf einem Irrtum beruhte. Angesichts der erheblichen Höhe der Nachforderung und der Zahlungsfrist von nur einem Monat sowie der Androhung von Säumniszuschlägen und Vollstreckungsmaßnahmen könne ihr aber nicht der Vorwurf gemacht werden, dass sie einen Steuerberater mit der Einlegung der Einsprüche beauftragt hat. In einer solchen Situation könne von ihr nicht verlangt werden, die Einsprüche selbst einzulegen. Auch unter dem Gesichtspunkt der Waffengleichheit sei ihr zuzugestehen, sich gegenüber einer mit vielfältigen Vollstreckungsbefugnissen ausgestatteten Fachbehörde der Hilfe eines Fachmannes zu bedienen. 

Anzahl der Angelegenheiten Der Steuerberater hatte vier Gebühren gem. § 40 Abs. 2 StBGebV berechnet, obwohl er in einem einzigen Schreiben Einspruch gegen die Steuerbescheide eingelegt hatte. Unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Urt. v. 09.05.2000, 11 C 1/99) führt das LG Essen aus, dass im vorliegenden Fall nicht von vier, sondern nur von einer einzigen Angelegenheit auszugehen sei mit der Folge, dass die jeweiligen Gegenstandswerte addiert und nur eine Gebühr nach § 40 Abs. 2 StBGebV berechnet werden könne. Bei Vorliegen mehrerer Bescheide komme es darauf an, ob diese mit derselben Begründung angefochten werden oder ob es einer gesonderten Begründung der verschiedenen Einsprüche bedarf (so auch die Rechtsprechung der Finanzgerichte, z. B. FG Düsseldorf, Urt. v. 08.09.2011, 10 K 3255/09 KG m. w. N.). Da im vorliegenden Fall allen vier Bescheiden der gleiche rechnerische Fehler zugrunde gelegen habe, konnte der Steuerberater hier in einem einzigen Schreiben mit einheitlicher Begründung gegen alle vier Bescheide vorgehen, so dass von einer Angelegenheit auszugehen sei und ihm nur eine Gebühr nach § 40 Abs. 2 StBGebV zustehe. Reduzierung der Gebühr Der Gebührenrahmen des § 40 Abs. 2 StBGebV beträgt 3/10 – 20/10 einer vollen Gebühr nach Tabelle E. Die rechnerische Mittelgebühr beläuft sich somit auf 11,5/10. Nach Auffassung des LG Essen war die abgerechnete Gebühr von 10/10 nicht gerechtfertigt. Zwar sei bei der Gebührenbemessung auch die enorme Höhe des geltend gemachten Betrages zu berücksichtigen. Letztlich sei aber der Umfang der vom Steuerberater entfalteten Tätigkeit unterdurchschnittlich gering gewesen. Einer vertieften inhaltlichen Prüfung oder eines umfangreichen Schriftverkehrs mit dem Finanzamt oder mit Dritten habe es nicht bedurft, um das Finanzamt zur Aufhebung der Bescheide zu bewegen. Dass den Bescheiden ein Fehler zugrunde gelegen habe, sei für den Steuerberater auch offensichtlich gewesen. Angesichts der enormen Höhe der Steuernachforderung sei der Steuerberater aber nicht auf die gesetzliche Mindestgebühr von 3/10 zu verweisen. Angemessen sei vielmehr eine Gebühr von 5/10. Sodann führt das Gericht (fälschlicherweise) aus, dass der maximal zu berücksichtigende Gegenstandswert nach Anlage 5/Tabelle E 1. Mio. € betrage. Unter Berücksichtigung der 5/10-Gebühr ergebe sich eine Gebührenforderung i. H. v. 2.363,00 €. Bei der Ermittlung dieses Betrages legte das Gericht (fälschlicherweise) die (neue) Tabelle E zur StBVV und nicht die (alte) Tabelle E zur StBGebV zugrunde. „Doppelfehler“ des Gerichts Nicht nachvollziehbar sind die Ausführungen des Gerichts dazu, dass der maximal zu berücksichtigende Gegenstandswert 1 Mio. € beträgt. Dies ergibt sich weder aus dem Verordnungstext, noch aus dem Text der Anlage E zur StBGebV. Da das Gericht fälschlicherweise von einem Gegenstandswert von 1 Mio. € ausgeht, anstelle des tatsächlichen Gegenstandswerts vom 1.465.929,35 €, kommt es fälschlicherweise zu einer deutlich zu niedrigeren Gebühr. Bei Zugrundelegung des zutreffenden Gegenstandswerts entspräche die Gebührenforderung 2.998,00 €. Da der Einspruch mit Schreiben vom 12.07.2012, also deutlich vor Inkrafttreten der StBVV, eingelegt worden war, hätte das Gericht die Gebühr nicht nach der Tabelle zur StBVV, sondern nach der Tabelle zur StBGebV bestimmen müssen. Dieser kleine Vorteil für den Mandanten wiegt jedoch den Fehler bei der Bemessung des Gegenstandswertes nicht auf und sollte den Mandanten veranlassen, Berufung gegen das Urteil einzulegen. Die Ausführungen des LG Essen zur Begründung des Amtshaftungsanspruchs und zur übrigen Höhe der 5/10-Gebühr sind plausibel. Gerade in Amtshaftungsfällen, in denen eigentlich klar ist, dass die geltend gemachte Forderung nicht besteht, wird dem Anspruchsteller in der Regel nur die gesetzliche Mindestgebühr zugebilligt. In diesem Zusammenhang sei beispielhaft auf das Urteil des OLG Brandenburg vom 23.02.2006 (2 U 1/05) verwiesen, in dem der Steuerberater Einspruch gegen einen um ca. umgerechnet 21 Mio. € zu hoch festgesetzten Gewerbesteuermessbetrag eingelegt hatte. Der vorliegende Fall weist einige Parallelen auf. Das OLG Brandenburg ging sogar noch weiter, als das LG Essen und versagte dem Steuerberater die Gebühr für das Einspruchsverfahren. Das Gericht billigte dem Steuerberater nur eine Mindestgebühr von 1/10 nach § 21 Abs. 1 Satz 1 StBGebV zu. Das Gericht war – wie das LG Essen – allerdings der Auffassung, dass der Mandant die Hilfe eines Steuerberaters in Anspruch nehmen durfte, ohne gegen seine Schadenminderungspflicht zu verstoßen. Es war jedoch der Auffassung, dass der Steuerberater keinen Einspruch hätte einlegen dürfen, sondern dem Mandanten lediglich den Rat geben durfte, selbst gegen den offensichtlich falschen Bescheid vorzugehen, was lediglich eine Ratgebühr nach § 21 Abs. 1 Satz 1 StBGebV rechtfertigte. Von daher ist die Höhe der zugebilligten 5/10 Gebühr auch in einem positiven Licht zu sehen. 

Quelle: DWS, VERLAG des wissenschaftlichen Instituts der Steuerberater GmbH, KANZLEI intern 07/2014 Autor: Dr. G. Feiter, RA, StBK Düsseldorf